Oktober 2017
Unkontrollierbare Waldbrände zerstören Hab und Gut der Kleinbauernfamilien in Turmalina
Seit dem 16 Oktober wütet ein unkontrollierbarer Waldbrand in Turmalina und Leme do Prado. Das Waldreservat Acauã ist betroffen, jedoch auch die umliegenden Höfe der Kleinbauern und Kleinbäuerinnen. Boaventura Soares de Castro, Bauer aus Boa Vista, Gründer und Mitarbeiter des CAV erzählt Voz do Cerrado im Interview über die Gründe und Folgen des Waldbrandes:
Welche Bedeutung hat das Waldreservat Acauã für die Region? Das Waldreservat wurde durch den Bundestaat Minas Gerais in den 70er Jahren ausgeschieden und steht unter der Schirmherrschaft des Amts für Wald IEF. Es liegt in den Gemeinden Turmalina und Leme do Prado und ist ca. 5000 Hektaren gross. Es ist in der Region, die durch Eukalyptus-Plantagen geprägt ist, das einzige Reservat.
Wie ist es zu dem Waldbrand gekommen? Am 16ten Oktober hat der Brand am Rand des Reservats zwischen Turmalina und Leme do Prado begonnen. Man sagt, dass ein Bauer, wie es hier leider ab und zu noch üblich ist, sein Feld zur Vorbereitung der neuen Aussaat abgebrannt hat und die Kontrolle über das Feuer verloren hat. Hier hat es seit Monaten nicht mehr geregnet und es ist sehr heiss. Jeden Tag erreichen wir Temperaturen von 35 bis 40 Grad.
Weiss man schon wie gross die betroffene Fläche ist? Laut dem Amt für Wald sind in einer Woche mehr als 2500 Hektaren des Waldreservats abgebrannt, also über die Hälfte des Reservats. Wie gross die Fläche der betroffenen umliegenden Bauernhöfe mit ihren Feldern und Wäldern ist, kann ich nicht abschätzen. Das Feuer brennt immer noch weiter, im Reservat, auf den Grundstücken der Bauernfamilien und hat nun auch die Eukalyptus-Plantagen erreicht.
Wie bekämpft ihr den Waldbrand? Es gibt eine Feuerwehr des Amt für Wald IEF, die aus Diamantina, Montes Claros und Belo Horionte kommt. Sie bekämpfen aber nur den Brand innerhalb des Reservats. Zur Verfügung haben sie wenige Flugzeuge und Helikopter und eben die Feuerwehrsleute. Dazu kommen viele Freiwillige, die auf ihren Motorrädern Wasser transportieren.
Was sind die grössten Herausforderungen für die Waldbrandbekämpfung? Innerhalb des Waldreservats ist die Vegetation sehr dicht und die Humusschicht dick. Das Wasser, das mit den Helikoptern und Flugzeugen abgeworfen wird, löscht das Feuer höchstens oberflächlich. In der Unterschicht brechen aber ständig wieder neue Feuer auf. Besonders weil es immer noch so heiss ist. Das Feuer ist also nicht zu kontrollieren. Vor allem nicht für die Bauernfamilien. Ihnen fehlt es an Material und vor allem auch an Wasser, die letzten Monate der Trockenzeit haben alles völlig ausgedörrt. Wir warten sehnlichst auf Regen.
Welche Auswirkungen haben die Brände für die umliegenden Bauernfamilien? Ich selbst bin im Dorf Boa Vista, das gerade unterhalb des Reservats liegt, aufgewachsen und bewirtschafte nebst meiner Arbeit beim CAV bis heute meinen Hof hier. Wir Bauern sind machtlos gegenüber dem Feuer. Unsere Wälder und Felder sind verbrannt. Unzählige Bienenvölker und Ställe sind betroffen. Die Schläuche mit denen wir unser Wasser aus dem Bach holten sind verbrannt. Nur die Häuser konnten wir schützen. Wir haben ausser freiwilligen Helfern keinerlei Unterstützung. Eine meterhohe Aschenschicht bedeckt alles. Bei einsetzendem Regen droht die Gefahr von Erosion,unsere letzten Quellen könnten zugeschüttet werden.
Im Reservat entspringt der Bach Boavista der viele Familien mit Wasser versorgt. Der Bach ist einer der wenigen Wasserläufe, welcher ganzjährig noch genügend Wasser führt und ist deshalb für die Region von grosser Bedeutung. Welche Auswirkungen hat der Waldbrand auf den Bach? Wir sind in unserer trockenen Region darauf angewiesen mit allen möglichen Mitteln das Wasser zu schützen und im Boden zu behalten. Es ist wichtig den Boden zu schützen. Innerhalb des Reservats ist dieser Schutz besonders gross. Das Reservat funktioniert für den Bach wie ein Schwamm, der das Wasser aufgesaugt und speichert und dann langsam über die Quellen abgibt. Nun ist alles verbrannt, es wird viel Erosion geben und die Quellen zuschütten.
Die Anwohner von Boa Vista haben vor mehreren Jahren ein solidarisches Wasserprojekt initiiert, welches die Dörfer Leão, Roça Grande und Vargem Funda mit Wasser des Bachs Boa Vista versorgt. Was ist das für ein Projekt und ist es nun in Gefahr? Die Quellen und Bäche in den genannten Nachbardörfern sind seit mehreren Jahren versiegt, die Menschen hatten kein Wasser mehr. Mit Hilfe der Universität UFMG haben wir die jährliche Abflussmenge unseres Bachs Boa Vista berechnet und gemerkt, dass wir gut die Familien der umliegenden Dörfer versorgen können. Der Bach hat bis heute noch so viel Wasser, wegen dem Reservat, aber vor allem auch, weil wir Dorfbewohner von Boa Vista gut zu unseren Wäldern geschaut haben. Für uns ist Wasser ein Gemeingut, das wir nicht besitzen können. Wir haben also kilometerlange Wasserleitungen gebaut von Boa Vista in die Dörfer Leão, Roça Grande und Vargem Funda um die leidenden Familien mit Wasser zu versorgen. Die Wassermenge, die jede Familie erhält ist genau abgemessen. Der Bach Boa Vista ist nun durch die Waldbrände akut gefährdet und damit der Zugang zu Wasser all dieser Familien. Es wird Jahre dauern, bis sich die Natur von diesem Brand erholen wird.
Boaventura, Sie sind ein kritischer Beobachter von Staat und Gesellschaft. Welche Lehren ziehen Sie aus dem Waldbrand von Acauã? Die Umweltpolitik des Staats ist reine Demagogie. Ein riesen Diskurs, dem keine Taten folgen. Die Menschen müssen in ihrer Isolation selber zu überleben wissen. So ist es möglich, dass bis heute Felder brandgerodet werden oder Abfall aufgrund der fehlenden Entsorgungsmöglichkeiten verbrannt wird. Dadurch können dann eben solch grosse Brände ausgelöst. Ich verurteile deshalb nicht diese Bauern, sondern den Staat, der in zweierlei Hinsicht nachlässig ist. Er unternimmt einerseits nichts für die Prävention und Aufklärung der Menschen im Umgang mit dem Feuer und der Umwelt. Andererseits unterstützt er uns in keiner Hinsicht in der Bekämpfung des Feuers und lässt uns mit all den Konsequenzen und Verlusten, die wir davontragen alleine.